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HEINRICH RITTER

ihres Ursprungs wegen empfahl sie sich den christliehen Lehrern; denn sie kam ja vom Orient, woher auch das Christenthum stammte. Es lässt sich nicht verkennen, dass bei den ersten Christen eine Vorliebe für das lische herrschte, wenn auch ihre Religion eine Vermittlung der orientalischen und der occidentalischen Bildung bringen sollte. Sie schienen die Welt zu hassen, welche sie liebten. Von der Rückkehr zu Gott erwarteten sie ihr Heil, dass sie aber auch eine Rückkehr zu seinen Werken in sich schliesse, war nicht sogleich allen in gleichem Grade einleuchtend. Die Scheu vor àm welllichen Dingen, die völlige Entsagung auf sie, welche der orientalischen Denkweise entsprach, empfahl auch die Emanationslehre. Wenn diese derte, dass wir die Welt fliehen'und der Quelle unseres Seins uns wieder zuwenden sollten, schien sie mit der Lehre des Christenthums men, dass wir durch die Sünde von Gott entfernt wären und die sündige Welt zu fliehen hätten um Gottes Gnade theilhaftig zu werden, obwohl beide Lehrweisen wesentlich von einander verschieden sind. Daher .findet man unter den Christen die Emanationslehre neben der Schöpfungslehre lange verbreitet, noch länger als die Evolutionslehre und die Lehre von der Bildung der Welt aus der Materie, welche auch nicht sogleich von den Christen verworfen wurden. Nicht allein Ketzer, wie die Gnostiker, sondern auch Kirchenväter, wie Justin der Märtyrer, Athenagoras, Arnobius, Origenes, bedienten sich ohne Scheu der Bilder der Emanationslehre; durch die Schriften, welche^ dem Dionysius Areopagita beigelegt wurden, ist diese Lehre auch auf das Mittelalter übertragen worden, welches sie zugleich von den arabischen Ari- stotelikern empfing ; ihre wesentliche Verschiedenheit von der Schöpfungslehre pflegte man dabei ausser Augen zu setzen.

Die Schöpfungslehre nemlich bildete sich zwar zunächst im Streit gegen die Lehre von der Bildung der Welt aus der Materie, also gegen den Dualismus, welchem denn auch die Formel entgegengesetzt wurde, dass die Welt aus nichts geschaffen worden; aber nicht weniger trat sie der Evolu- tionslehre und der Emanationslehre entgegen, indem sie nicht aus der Katur Gottes, sondern nur durch sein allmächtiges Gebot die Welt werden lässt; ihrer verneinenden Seite nach beseitigt ^ie also alle jene unvollkommenen Analogien, durch welche das Alterthum das Verhältniss Gottes zur Welt sich