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/ Vf . g^ [Gerling an Gauß.]

Kassel , den 27. Novbr. 1812.

Herzlichen Dank sage ich Ihnen, verehrtester Herr Professor, für Ihren gütigen Brief, den mir Ihr Herr Schwager heute vor 8 Tagen zuschickte.

Die Beobachtung der Sternschnuppen würde mir sehr viele Freude machen, ich bin aber bis jetzt noch nicht imstande, irgend etwas Genaues zu observieren. Den Schlüssel zur Sternwarte habe ich freilich, wie Ihnen Encke erzählt hat, eine Zeitlang gehabt. Der Präfekturrat Murhard[^] (derselbe, der eine Reise nach stantinopel gemacht hat) hat (nachdem Mat8ko[^], Gott weiß aus welchen Ursachen, seine Stelle, jedoch mit Beibehaltung seines Gehalts, [hat] abgeben müssen) jetzt als zweiter Bibliothekar auch die Aufsicht über die Sternwarte und gab mir auf eine Anfrage den Schlüssel. Ich fand aber alles in einem so abscheulichen Zustande, daß ich gleich einsah, ohne Hilfe von oben gar nichts anfangen zu können. Fast keine Tür läßt sich öffnen, Fledermäuse und Krähen beschmutzen alles, was nicht sorgfältig mit Bettüchern behangen ist. Es ist seit 6 Jahren auch kein Versuch zu einer Beobachtung gemacht, keine Uhr im Gange; kurz, es ist alles eine wahre Satire auf eine Sternwarte.

Bei so bewandten Umständen wandte ich mich an den Hrn.v.Leist mit einem Schreiben, worin ich ihm den jämmerlichen Zustand der Dinge so beweglich als möglich vorstellte und ihn bat, doch da zu helfen, auch mir die feierliche Erlaubnis zur Benutzung der warte zu erteilen. Es ist dies nun nicht unmittelbar seine Sache; er betrachtet es aber doch als einen zum öffentlichen Unterricht gehörigen Gegenstand und trug gleich darauf beim Minister des Innern auf die Erfüllung meines Wunsches an. Seit beinahe vier Wochen harre ich mit Sehnsucht der Resolution. Indessen hat in der Zwischenzeit zwischen meinem Schreiben an Leist und dessen Bericht an den Minister, der erste Bibliothekar, der mit Murhard gespannt ist, einen Befehl des Ministers ausgewirkt, daß ich den Schlüssel wieder abgeben müßte. Seit einigen Tagen habe ich zufällig erfahren, daß im Ministerio des Innern die Sache doch von der ernsthaften Seite genommen wird. Weil indessen bei dieser Gelegenheit die kleinen Leidenschaften sehr mit ins Spiel gekommen sind und ich auf einige Leute, die dabei mit interessiert sind und nur gar zu gern diese Gelegenheit benutzt hätten, um mich in Ihre Privatintrigen hineinzuziehen, mich nicht verlassen

[ ^ Murhard, Friedrich Wilhehn August, geb. 1779, geet. 1853; unter der wcet- fälischen Regierung Redakteur des Westfälischen Momteur8*% Bibliothekar am Museum in Kassel und Präfekturrat; seit 1814 politischer Schriftsteller, vielfach in politische Händel verwickelt.]

[ 2 Vermutlich ein Sohn des 1796 gestorbenen Professors Johann Matthias Matsko; biographische Nachrichten waren mir nicht zugänglich.]