§ 6. Die Größenanordnung der Kardinalzahlen. 65
kann sie, wie leicht einzusehen, folgendermaßen formulieren: Sind M und N zwei endliche Mengen und ist M äquivalent einer eigentlichen (also namentlich von N selbst verschiedenen) Teilmenge von N, so ist die Kardinalzahl von M kleiner als die Kardinalzahl von N.
Unser nächstes Ziel soll sein, auch die unendlichen Kardinalzahlen ihrer Größe nach anzuordnen. Wir überzeugen uns hier sogleich, daß es unmöglich ist, die eben angeführte Regel auch zur Definition der Größenordnung unendlicher Kardinalzahlen zu verwenden. Denn ist z. B. M die Menge der natürlichen Zahlen, "^die Menge aller rationalen Zahlen, so ist Ш eine eigentliche Teilmenge von'J/; da M sich sell^ äquivalent ist, ist M äquivalent einer eigentlichen Teilmenge von-â?";. dennoch wird man die Kardinalzahl von M nicht kleiner nennen als die von ^, da ja beide Mengen abzählbar, ihre Kardinalzahlen also gleich sind. Diese Abweichung von den bei endlichen Mengen wohnten Verhältnissen liegt wiederum daran, daß eben eine unendliche Menge sehr wohl einer eigentlichen Teilmenge von sich äquivalent sein kann (S. 23).
Zu einer brauchbaren Anordnung der unendlichen Kardinalzahlen gelangen wir dagegen, wenn wir die oben für die endlichen zahlen festgelegte Regel ausbauen zu der folgenden
Definition . Ist die Menge M äquivalent einer Teilmenge der Menge N, während N keiner Teilmenge von M äquivalent ist, so nennt man die Kardinalzahl m von M kleiner als die Kardinalzahl n von N, also n größer als m. Mit den auch sonst üblichen Zeichen schreibt man hierfür Ш<П oder gleichbedeutend n>m.
Diese Definition, bei der es einer Unterscheidung zwischen eigentlichen und uneigentlichen Teilmengen nicht mehr bedarf, ist offenbar eine vernünftige und zweckmäßige Festsetzung. Denn sind die in ihr enthaltenen Voraussetzungen für m < n erfüllt, so kann nicht nt = П, d. h. nicht M '^ N sein; nach der zweiten Voraussetzung der Definition gibt es nämlich im Falle m < tt keine Teilmenge von M, der N äquivalent wäre, während im Falle m = n sicherlich N einer menge von M äquivalent ist, z. B. der Menge M selbst. Ebenso tiberzeugt sich der Leser mittels einfacher Überlegung, daß nach der obigen Definition die ziehungen m < n und n < nt miteinander nicht verträglich sind, d. h. daß nicht etwa von den Kardinalzahlen zweier Mengen die eine gleichzeitig kleiner und größer sein kann als die andere; die Größenordnung ist, wie man sagt, eine asymmetrische Beziehung (vgl. S. 20). Ferner erkennt man leicht, daß unter drei Kardinalzahlen Ш, П und p, von denen m kleiner als n, П kleiner als p (oder gleich p) ist, m auch kleiner ist als p\ in Zeichen: aus m < n, П ^p folgt Ш<)), d.h. die Größenordnung ist wie die Äquivalenz (S. 20) eine transitive Beziehung. Endlich leuchtet ein, daß bei der Vergleichung der Kardinalzahlen zweier Mengen jede dieser Mengen durch eine äquivalente Menge ersetzt werden darf, daß also aus Ш<п, m = m', n = xC stets ш' < tt' folgt. Die hiermit ausgedruckten vier Eigenschaften der Größenanordnung der zahlen sind charakteristisch für jede- in der Mathematik auftretende Ordnungs- beziehung; vgl. S. 125 und 185f. Sie sind namentlich auch erfüllt für die ziehung „eine eigentliche Teilmenge sein*' (S. 20) ; auf diese Tatsache gründet sich wesentlich die obige Definition.
Fraenkel , Mengenlehre. 3. Aufl. 5