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Das Rechnen mit KÄrdinalzahlen.
herrscht sogar eine noch unvergleichlich viel größere Mannigfaltigkeit (vgl, S. 108 und 193).
Wie besonders hervorgehoben zu werden verdient, stellt unser Satz nicht etwa ein bloßes „Existenztheorem** dar; er besagt nicht nur, daß zu einer gegebenen Kardinalzahl eine größere existiert, sondern er gibt auch ein einfaches Verfahren an, eine solche wirklich zu bilden (vgl. indes S. 326).
Es werde noch betont, daß der bewiesene Satz natürlich auch für eine endliche Menge M und ihre Kardinalzahl gilt; ist doch M nicht etwa als unendlich vorausgesetzt worden. Indes besagt unser Satz für endliche Mengen nur eine in der Kombinatorik elementar bewiesene Tatsache (vgl. S. 108). Daß und in welcher Weise er insbesondere für die kleinsten Mengen zutrifft, nämlich für solche mit keinem oder einem einzigen Element, zeigen die Beispiele M = 0, also U = {0} und M = {m}, и = {О, {m}}, die beim Übergang zu den Kardinalzahlen von M und и besagen^: 0 < 1 und 1 < 2. Der Leser wird sich den Beweisgang unseres Satzes besonders deutlich an Hand einer endlichen Menge M als Beispiel klarmachen.
4 Der Äquivalenzsatz. Eine grundsätzliche Frage in bezug auf die Größenordnung der Kardinalzahlen ist bisher noch unerledigt blieben. Sind m und n irgend zwei Kardinalzahlen, so fragt es sich, ob ebenso wie bei den endlichen Anzahlen stets einer der drei (sich nach S. 65 ausschließenden) Fälle m = n, Ш < n, m > n vorliegt („Trichotomie") oder ob es noch weitere Möglichkeiten gibt, d. h. ob es vielleicht vorkommen kann, daß zwei verschiedene Kardinalzahlen unvergleichbar sind, so daß keine von ihnen kleiner ist als die andere.
Um der Beantwortung dieser Frage näherzukommen, wollen wir, ausgehend von unserer Definition der Größenordnung, alle möglichen Vergleichsbeziehungen zwischen zwei gegebenen Mengen M und N nach einem elementaren Verfahren der allgemeinen Logik denken; nach einem Verfahren, dessen Verwendung für den liegenden und manchen ähnlichen Zweck in der Mengenlehre tungsvoll ist und wohl erst auf einen Brief Cantors aus den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts zurückgeht 2. Es kann zunächst Teilmengen von M geben, die zu N äquivalent sind, und gleich- zeitig Teilmengen von iV, die zu M äquivalent sind {erster Fall) ; femer kann es Teilmengen von M geben, die zu N äquivalent sind, während keine zu M äquivalente Teilmenge von N existiert {zweiter Fall) ; weiter
^ Hier bedeutet natürlich 0 nicht wie vorher die Nullmenge, sondern —* da vor dem <-Zeichen stehend — die Kardinalzahl der Nullmenge, also die Zahl NuU.
* Siehe Schoenflies [11], S. 101/2; das Verfahren findet sich mit einer sätzlich unwichtigen Abänderung auch 1898 bei Borel [1], S. 102 f.