§ 18. Die Axiomatik in allgemein-methodischer Hinsicht. 365

Diese ,,hinabsteigende'* Methode führt nun aber in der Mathematik nicht etwa zu einem unendlichen Regreß, sondern sie endet nach wenigen großen Schritten sehr bald bei zwei Fundamentaldisziplinen: bei der Lehre von den natürlichen Zahlen und i)ei der Mengenlehre, Beide biete können offenbar nicht auf noch ,,einfachere", schon als spruchslos erkannte mathematische Disziplinen zurückgeführt werden, weil ja umgekehrt alle diese sich auf Zahlenlehre und Mengenlehre stützen. Die Widerspruchslosigkeit der Axiomensysteme, auf die diese Disziplinen aufgebaut werden können, läßt sich auf die angegebene Art nicht erweisen und bleibt offen. Damit ist aber nicht allein die heit von Zahlen- und Mengenlehre, sondern die der ganzen Mathematik, dieser anscheinend sichersten aller Wissenschaften, in Frage gestellt; denn unsere Methode, den Bestand der übrigen mathematischen plinen zu gewährleisten, bestand ja gerade darin, sie als relativ wahr, nämlich als ,,ebenso sicher*' nachzuweisen wie Zahlen- und Mengenlehre. Umgekehrt wird mit dem Gelingen eines endgültigen und absoluten Nachweises für die Widerspruchslosigkeit der Axiome jener beiden disziplinen die Feststellung erreicht sein, daß die Sätze der Mathematik unanfechtbare, in sich geschlossene Wahrheiten darstellen.

Man wird zunächst daran denken, zur Sicherung der beiden matischen Grunddisziplinen sich im entsprechenden Sinn auf die Logik}- zu berufen; also die Konstruktion eines Axiomensystems für die Logik und den Nachweis seiner Widerspruchslosigkeit zu fordern und dann Zahlen- und Mengenlehre durch ein geeignetes Zuordnungsverfahren auf die Logik zurückzuführen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Philosophen sich des ehrenvollen Auftrags zu entledigen in der Lage wären, den ihnen so die Mathematiker zuschöben durch Überweisung einer Aufgabe, die ihre eigenen Kräfte übersteigt : nämlich der Aufgabe, ein Verfahren zu einem absoluten Widerspruchslosigkeitsbeweis finden. Indes scheint dieser Ausweg schon deshalb schwer gangbar, weil auch die Logik bereits in ihren Anfängen nicht ohne Zahl- und begriff auskommt, das Verfahren also sehr in Gefahr schwebt sich zirkelhaft zu gestalten. Logik, Zahlenlehre und Mengenlehre erscheinen gegenseitig aufs engste miteinander verknüpft und nicht schlechthin in dem Verhältnis des Allgemeinen (Logik) zum Besonderen (Zahlen- und Mengenlehre) stehend; ihre endgültige Begründung durch weis der Widerspruchslosigkeit eines oder einiger geeigneter systeme, die alle drei Gebiete umfassen, muß als eine einheitliche Aufgabe angepackt werden. Immerhin kann die Methode WHirEHEADs und RussELLs, nach denen ja in der Tat die Mathematik als Teil der Logik zu betrachten ist (S. 266 und 376), als eine Zurückführung unseres

^ Die Methode, die von Dedekind [2] tu einer rein logischen Begründung der Lehre von den ganzen Zahlen herangezogen wurde, ist Einwänden ausgesetzt, die mit den Antinomien der Mengenlehre zusammenhängen (vgl. S. 306f.).